Träumt! Brecht auf! Macht euch auf euren Weg – Predigt zur Konfirmation 2025

zu Beginn möchte ich euch eine Geschichte erzählen. Sie stammt vom Autor Jorge Bucays aus seinem Buch «drei Fragen»

Die Geschichte von der Kutsche

Eines Tages klingelt das Telefon. Der Anruf ist für mich. Kaum habe ich meinen Namen gesagt, da hör ich auch schon eine sehr vertraute Stimme: „Hallo, ich bin’s. Geh mal raus auf die Strasse, da wartet eine Überraschung für dich.“ In freudiger Erwartung trete ich auf den Bürgersteig, und vor mir sehe ich das Geschenk. Eine kostbare Kutsche steht direkt vor meiner Haustür. Sie ist aus poliertem Nussbaum gefertigt, hat bronzene Verzierungen und Lampen aus weissem Porzellan, alles sehr fein, sehr elegant, sehr chic. Ich öffne die Tür zur Kabine und steige ein. Ein grosser halbrunder Sitz mit bordeauxrotem Cordbezug und weisse Spitzenvorhänge geben dem Innenraum etwas Vornehmes. Ich setze mich und merke, dass alles für mich massgefertigt ist: auf meine Beinlänge abgestimmt, mit passender Sitzbreite und Dachhöhe… alles ist ausgesprochen bequem, und Platz ist hier nur für mich.

Ich schaue also aus dem Fenster und betrachte „die Landschaft“: auf der einen Seite die Fassade des Hauses, in dem ich wohne, auf der anderen diejenige meines Nachbarn… und ich sage: “Was für ein wundervolles Geschenk! Fabelhaft, so schön…“ Und genieße dieses Gefühl.

Nach einer Weile fange ich an, mich zu langweilen, denn vor dem Fenster sieht man immer das Gleiche. Ich frage mich: “Wie lang kann man sich eigentlich dieselben Sachen anschauen?“ Und langsam komme ich zu dem Schluss, dass dieses Geschenk eigentlich nicht besonders viel taugt. Lauthals beschwere ich mich darüber. Irgendwann kommt mein Nachbar vorbei, und als könnte er Gedanken lesen, sagt er: “Merkst du denn nicht, dass an dieser Kutsche was fehlt?“ Mit dem Was-fehlt-denn-wohl-Ausdruck im Gesicht schaue ich mir die Polsterung und die Vorhänge an. „Na, die Pferde fehlen“, sagt er, noch bevor ich überhaupt nachfragen kann. Ach, deshalb sehe ich immer dasselbe, denke ich, darum ist es so langweilig … . „Ja, stimmt“, sage ich. Und ich mache mich auf den Weg zum Fuhrpark und erstehe zwei kräftige, junge, schneidige Pferde. Ich spanne die Tiere vor die Kutsche, steige wieder ein und brülle von drinnen: „Hüüaahh!!“

Die Landschaft wird phantastisch schön, aussergewöhnlich, sie verwandelt sich permanent und überrascht mich immer wieder neu. Trotzdem spüre ich schon ziemlich bald eine gewisse Vibration, und auf der einen Wagenseite entsteht ein tiefer Riss. Die Pferde ziehen mich über die schlechtesten Pisten, sie springen über jeden Graben, holpern über Bürgersteige, bringen mich in die übelsten Gegenden. Mir wird klar, dass ich nicht die geringste Kontrolle über die Lage habe, diese Biester zerren mich dorthin, wohin es ihnen beliebt. Am Anfang hat mir dieses Abenteuer grossen Spass gemacht, inzwischen bin ich mir aber sicher, dass die Sache ziemlich heikel ist. Ich bekomme es mit der Angst zu tun und stelle fest, dass auch das nicht wirklich weiter hilft.

Da sehe ich meinen Nachbarn, der ganz nah in seinem Auto vorbeifährt, und schimpfe auf ihn ein. „Was hast du mir da eingebrockt!“ Er schreit zurück: „Was dir fehlt ist ein Kutscher!“ „Aha!“, sage ich. Unter grössten Schwierigkeiten und nur mit seiner Hilfe gelingt es mir, die Pferde zu stoppen, und ich mache mich auf die Suche nach einem Kutscher. Ich habe Glück. Ich finde einen. Er ist ein zurückhaltender, zuverlässiger Mann, und aus seiner Miene lässt sich schliessen, dass er vielleicht nicht gerade Spass, dafür aber umso mehr von seinem Handwerk versteht. Sofort tritt er seinen Dienst an. Mir scheint, erst jetzt weiß ich mein Geschenk wirklich zu schätzen. Ich steige in die Kutsche, mach es mir bequem, nicke mit dem Kopf und sage dem Kutscher, wo ich hin will. Er hält die Zügel in der Hand und hat die Lage völlig unter Kontrolle. Er bestimmt die angemessene Geschwindigkeit, er wählt den besten Weg. Während ich drinnen in der Kabine sitze … und die Fahrt geniesse.

Diese Geschichte kann man auf verschiedene Weisen deuten:
Jorge Bucays deutet sie als Bild für unser inneren Instanzen:
Die Kutsche — unser Körper,
die Pferde — unsere Wünsche, Gefühle, Sehnsüchte,
der Kutscher — der Verstand

Ich möchte die Geschichte mehr im Sinne von Lebensabschnitten deuten.
Denn unser Leben hat Phasen — Übergänge, die uns herausfordern, uns wachsen lassen – bis heute noch kommen viele in unsere Gesellschaft für die Übergänge dieser Lebensphase in die Kirche. Folgende Lebensabschnitte finden wir in der Geschichte:

1. Die Kutsche – das Geschenk eures Lebens

Das Geschenk der Kutsche kann mit eurer Geburt und Kindheit verglichen werden. Eure Geburt war ein grosses Ereignis — vor allem für eure Eltern.
Damals haben wir das mit eurer Taufe gefeiert. Und euch zugesprochen: Du bist ein Geschenk. Du bist gewollt. Du bist einzigartig.

Wie die kostbare Kutsche in der Geschichte.

2. Die Pferde – eure Sehnsucht nach Leben

Die Konfirmation ist für mich der Übergang zu den Pferden.
Ihr seid mitten im Prozess des Aufbruches. In den nächsten Monaten und Jahre macht ihr euch auf in die Berufslehre, ins Gymnasium, werdet ausziehen, vielleicht eine eigene Familie gründen. Ihr werdet in nächster Zeit immer mehr Erwachsen werden und euch entsprechend aufmachen.
Das zeigt auch das Thema, dass ihr für eure Konfirmation gewählt habt: «Träume – sich auf den Weg machen»

Ihr habt Träume, Sehnsucht, wollt los.
Ihr wollt leben, entdecken, euch aufmachen.

Es ist Zeit die Pferde anzuspannen.

Doch das lösst Fragen aus. So habt auch ihr die Frage gestellt «Was ist, wenn ich nicht weiss, wohin ich soll?»

Ich weiss, viele von euch stellen sich genau diese Frage.
Und es ist eine sehr berechtigte, kluge Frage.
Denn ihr habt heute unendlich viele Möglichkeiten.
Viel mehr als Generationen vor euch.

Und genau darin liegt ein Problem.
Es gibt einen Begriff dafür: Paradox of Choice — das „Paradoxon der Wahl“. Dieses besagt – je mehr Wahlmöglichkeiten wir haben um so unglücklicher sind wir mit unseren Entscheidungen: Wer nur drei Jeans im Laden zur Auswahl hat, muss nur zweimal nein sagen, um eine zu kaufen. Wer hunderte zur Wahl hat, muss viel mehr Nein sagen. Je mehr Möglichkeiten wir haben, desto schwerer wird es, sich zu entscheiden. Weil wir immer fürchten, etwas zu verpassen, die falsche Wahl zu treffen, uns gegen etwas Gutes zu entscheiden.

Das kann lähmen.
Das kann dazu führen, dass wir lieber gar keinen Weg gehen.
Dass wir uns im Kreis drehen.

So wie ein Auto im Kreisel, das immer wieder an Ausfahrten vorbeifährt, aber nie eine nimmt. Weil ja hinter jeder nächsten Ausfahrt vielleicht ein besserer Weg warten könnte.
Und während das Auto so im Kreis fährt, vergeht die Zeit.
Und aus Fahrt wird Stillstand in Bewegung.

Darum möchte ich euch zwei Dinge mitgeben, die wir im Vers finden, den ihr für diesen Gottesdienst ausgesucht habt:

„Freue dich, junger Mensch, in deiner Jugend,
und lass dein Herz fröhlich sein in den Tagen deiner Jugend.
Wandere auf den Wegen deines Herzens
und nach dem, was deine Augen sehen.“ (Prediger 11, 8-9a)

Erstens: Vertraue deinem Herzen.
Lass es fröhlich sein.
Tu, was dich glücklich macht, was deine Augen sehen.
Was dich staunen lässt, dich neugierig macht.
Und wisst ihr was?
Das ist von Mensch zu Mensch verschieden.
Was für den einen Glück ist, ist für die andere vielleicht gar nichts Besonderes.
Deshalb: hör auf das, was in dir leise ruft.
Nicht auf das, was alle sagen.
Nicht auf das, was gerade angesagt ist.
Denn dein Herz hat seine eigene Stimme.
Manchmal ist sie leise.
Aber sie kennt deinen Weg.

Zweitens: Entscheide dich.
Wandere.
Bleib nicht stehen.
Fahr nicht endlos im Kreis.
Irgendwann musst du dich für eine Ausfahrt entscheiden.
Denn Entscheiden heisst immer auch sich von etwas anderem scheiden.
Nicht, weil das andere schlecht ist — sondern weil du nur dann den einen Weg wirklich gehen kannst. Nur dann wird aus Möglichkeit Wirklichkeit.

Das braucht Mut.
Aber das ist Leben.

Ich wünsche euch, dass ihr ein feines Sensorium habt für euer Herz.
Dass ihr spürt, was euch gut tut.
Dass ihr hört, wenn es fröhlich ist — und wenn es sich meldet.

Und ich wünsche euch den Mut, diesem Herzen zu folgen.
Nicht blind, nicht kopflos — aber ehrlich.

Und ich hoffe, dass euch die Konf-Zeit hier in der Gemeinde ein paar Werkzeuge dafür an die Hand gegeben hat.
Vielleicht ein Wort, ein Gespräch, ein Gebet, ein Gedanke.
Etwas, das euch in eurem Leben weiterhilft.

Doch mit diesem mutig vorwärts gehen, stellt sich eine zweite Frage:
Was ist, wenn ich scheitere?

3. Der Kutscher – Gott als richtender Begleiter in der Mitte des Lebens

Was ist, wenn ich scheitere?

Ich kann euch das ganz ehrlich sagen:
Du wirst scheitern.
So oder so.

Das gehört zum Leben dazu.
Schaut euch Josef an — der mit den grossen Träumen.
Sein Traum brachte ihn zuerst ins Gefängnis.
Er landete nicht direkt im Palast, sondern in der tiefsten Dunkelheit.
Und auch in unserer Geschichte von der Kutsche passiert das.

Am Anfang ist alles wunderbar.
Dann kommen die Pferde, die Träume, die Wünsche, die Leidenschaften.
Und plötzlich geht es Schlag auf Schlag.
Sie jagen dich über Stock und Stein, durch gute und schlechte Gegenden.
Und ehe du dich versiehst, sitzt du in einer holprigen Kutsche,
die längst nicht mehr auf sicherem Weg unterwegs ist.

So ist das Leben.
Gerade wenn man älter wird.
Wenn man mehr Verantwortung hat.
Wenn Entscheidungen Konsequenzen haben.
Wenn man merkt: nicht jeder Wunsch tut mir gut.
Nicht jede Leidenschaft bringt mich dahin, wo ich eigentlich hinwill.

Und dann? Wie hören wir im Scheitern diese Worte aus dem Predigerbuch:

„Doch wisse, dass dir Gott über dies alles Rechenschaft fordern wird.“
(Prediger 11, 9b)

Ein Satz, der im ersten Moment Angst machen kann.
Ein Gott, der alles sieht, alles notiert, alles einmal vorhält?
Vielleicht hat der eine oder die andere noch dieses Bild im Kopf:
ein strenger Richter mit starrem Blick.

Ich hoffe, dass wir im Konf-Unterricht miteinander angefangen haben, dieses Bild zu hinterfragen. Denn Richten heisst im biblischen Sinn nicht einfach verurteilen.
Es heisst aufrichten.
Herrichten.
Wieder zurechtrücken.
Dinge neu ordnen.
Und genau das ist es, was Gott tut.

Ich wünsche mir, dass ihr euch Gott als Kutscher vorstellt.
Einen, der die Zügel in der Hand hält.
Nicht um euch zu fesseln, sondern um euch vor dem Sturz zu bewahren.
Einen, der euch nach einem Umweg wieder auf den richtigen Weg lenkt.
Der euch, wenn ihr euch verrannt habt, zurückführt.

Ganz im Sinn dieser wunderbaren Zusage aus Jeremia:

„Denn ich weiss wohl, was ich für Gedanken über euch habe,
spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leids,
dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ (Jeremia 29, 11)

Dieser Gott ist kein Buchhalter eurer Fehler.
Sondern ein zurückhaltender, geduldiger Kutscher.
Der weiss, wann er lenken muss und wann er euch freien Lauf lässt.
Der Geduld hat, auch wenn ihr im Kreis fahrt.
Der euch aber nicht aufgibt.

Und wenn ihr irgendwann spürt:
Jetzt wird es holprig, jetzt verliere ich die Richtung —
dann ladet er euch ein.
Vielleicht eine Bibel aufzuschlagen.
Vielleicht die Kirche wieder zu betreten.
Vielleicht das alte Notizbuch der Konf-Zeit hervorzuholen.
Vielleicht ein Gespräch zu suchen.

Denn der Kutscher wartet.
Nicht vorwurfsvoll.
Sondern mit dem Wunsch, euch Zukunft und Hoffnung zu geben.

Amen.

Die Inhalte dieses Beitrags basieren auf einer mündlich gehaltenen Predigt vom 15.06.2025. Sie wurden aufgrund eigener Notizen und unter Einsatz von KI-gestützten Schreibwerkzeugen verschriftlicht und redaktionell überarbeitet.

Hineni – ein Preacher Slam über das Ringen mit mir selbst: Soll ich die Reise in den Pfarrberuf wirklich wagen?

Zu später Stunde noch zieht es fort
Gottes Volk weg vom modernen Ort

Die Zeit verrinnt
Die Fluten steigen
Der Weg beginnt
Die Schritte schweigen

Um so später um so mehr
Die Moderne ist eine Reise
– im weiten Meer

Verwischt die Spuren derer, die voraus gingen
verwässert die Schritte, die meine schienen

Unsicher frag ich in die Nacht
Will ich mit auf diese Reise?
Wer hält hier bloss die Wacht?
Fehlt hier nicht jene Weise?

Weder Ausblick
noch Rückblick
schenken Überblick

Da sprichts
bricht aus mir
scheu und leise
mit schwankendem, unsich’rem Mund
 
Hineni – hier bin ich. Seht.
wo meine Spur im Wasser steht
Mit kalten Füßen, weichem Grund

Mein Blick erhebt sich, sieht nach Osten
Sucht den Pfad auf alten Posten

Hineni – hier bin ich. Hört.
vom Wind getragen, folgend meiner Sicht
das Wort erhebet sich ungestört
zur Sonne fliegend, bis das Dunkel bricht

Steigend – Sohn zum Vater hin
Mensch zu Gott, seit Zeiten Sinn

Antwort auf den Ruf, der drängt
bejahend, verpflichtend
sich mutig aufwärtsrichtend

Bereit zu gehen
Berufung wahrzunehmen

Doch…

Bin ich bereit?
Will ich soweit?
Kann ich’s ertragen
Kirche in dieser Zeit?

Wasser trägt nicht
Auch mich nicht

Ich sinke –
in die Grube
ins Opferholz

Hineni – hier bin ich. Spürt.
Der Engel eilt, der Himmel rührt
die Hand ergreift
mich hoch er hebt
nur bis zum Rand, wo Atem lebt
nun laden sie mich ein –
nicht zum Tanz
mehr zum Ritt

Die Welle fasst, wirft hinauf
gleitend, springend
schwimmen wir obenauf

Steigen die Gezeiten, wild und weit
sich alles aus den Fugen hebt
dann lockt nicht Halt, nicht Sicherheit
sondern der Geist, der überm Wasser schwebt

Hineni – hier bin ich. Schmeckt.
Salz. Die Woge reisst in die Flut
sich aus dem Chaos Neues weckt
lasst’s uns wagen, voller Mut

Das kraulende Gottesvolk bewegt
sich durch den Strom, der alles trägt,
getrost, vertrauend, staunend
dass, wenn auch die Zeit vergeht
Gott steht’s mit ihm geht

Hineni – hier bin ich. Riecht.
Aufregendes liegt in der Luft

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit KI-gestützten Werkzeugen. Der Autor hat Inhalte, Struktur und Formulierungen eigenständig konzipiert und redaktionell bearbeitet.

Predigt zum Karfreitag 2024

Foto: Rui Silva unsplash

Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben:
Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel geben. Das heisst: „Gott mit uns“. (Jesaja 7,14)

Gott wird mit uns sein – so verheisst es die sehr alte Prophezeiung.

Gott mit uns.
Doch wo sind wir?
Wo ist der Mensch?

Ja, oft in der Freude, beim Essen, lachend unter Freunden.

Doch nicht nur… und gerade am heutigen Tag sind wir eingeladen, die dunkleren Orte unserer Existenz zu bedenken.
Menschen sind …

  • seit Jahren kinderlos,
  • alleinerziehend,
  • wegen Depression oder Sucht in der Klinik,
  • gerade an den Festtagen um ihre Verstorbenen trauernd,
  • einsam den Sonntagabend ertragend,
  • in Sorge um das eigene Teenagerkind oder die kranken Eltern.

Menschen sind auf der Flucht,

  • haben die eigene Familie verlassen,
  • sind einsam, verraten von Freunden,
  • schutzsuchend vor Bomben.

Doch auch auf der anderen Seite steht der Mensch:

  • die Bombe werfend,
  • das Tier schlachtend,
  • lebend auf Kosten anderer,

sich selbst und andere verratend,
lügend,
verletzt,
verletzend,
Opfer und Täter zugleich.

Hier sind wir …

Und Gott …
Wo bist du?

«Eli, Eli, lama asabtani? – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?»

So schreit er, hängend am Kreuz: der Messias, Mensch,
in dem manche Gott erblicken.

Da ist er zu finden:
Gott,
Mensch geworden,
verraten,
geschlagen,
gekreuzigt,
gestorben.

Er wird Immanuel heissen. Das heisst: „Gott mit uns“.
Hier am Kreuz,
heute am Karfreitag,
findet diese weihnachtliche Ankündigung ihren Höhepunkt.

Gott ist da.
Mit uns im grösstmöglichen Leiden.

Er wird geschlagen, leidet mit, wird selbst von Gott verlassen,
stirbt.

Im Sterben Jesu Christi ist alles ins Göttliche aufgenommen.

Kein Ort – kein Schmerz, keine Sünde, nicht einmal der Tod – an dem Gott nicht ist. In allem, bis hinein in die tiefsten Abgründe, ist Gott mit uns.

Einwand von höchster theologischer Stelle:
„Um – einmal primitiv gesagt – aus meinem Dreck und Schlamassel und meiner Verzweiflung herauszukommen, nützt es mir doch nichts, wenn es Gott – um es einmal grob zu sagen – genauso dreckig geht.“
(Karl Rahner, zit. nach Kessler, Gott und das Leid, 106)

Antwort aus alten Quellen:
«Was er nicht angenommen hat, hat er nicht geheilt.»

Denn Ratschläge sind Schläge.
Besonders von denen, die selbst nie durch das eigene Tal gingen.
Von oben herab, weiß, männlich, amerikanisch,
immer wahr und klar, stets wissend, was zu tun ist.

So anders die Stille,
die Hörenden, Mitfühlenden, Barmherzigen:
„Ich weiss, wie es dir geht.“
Wie nahe uns das Verständnis geht des Mitleidenden.
So wie es ist, darf es sein.
Hier darf ich sein,
werde verstanden,
erkannt.

Ich darf sagen, wie es ist.
Gerade was nicht gut ist, darf sein.
Denn Gott ist hier:
im Zerbruch, im Leid, in der Sünde, im Tod.

So darf ich annehmen, was ist.
Denn nur das Meine kann ich geben.
Und so kann vielleicht auch Vergebung gelingen
und das Kreuz zum Ort meiner Heilung werden.

Er wird Immanuel heissen. Das heisst: „Gott mit uns“.

Amen.

Dieser Text wurde eigenständig vom Autor verfasst, ohne Einsatz von KI.