Weihnachten: Als die Macht den Palast verliess und die Grundlage entstand, in allen Menschen Herrscher ihres eigenen Lebens und Schicksals zu sehen

Konfirmandenunterricht kurz vor Weihnachten. Wir beschäftigen uns mit der Weihnachtsgeschichte nach Lukas.
„Gibt es Fragen?“

Die Hand einer Konfirmandin schnellt in die Höhe:
„Jesus, von der Jungfrau Maria geboren – das kann nicht sein. Eine menschliche Geburt ohne männliche Zeugung widerspricht allem, was wir über Biologie wissen.“

Was nun?
Soll ich darauf beharren, dass Wunder geschehen und Gott Naturgesetze durchbrechen kann? Sicher: Biblische Geschichten rechnen mit dem Eingreifen Gottes. Die biblische Welt ist – anders als unsere moderne – nicht in sich abgeschlossen. Aber ist das wirklich der Punkt der Geburtsgeschichte Jesu?

Was wollten die biblischen Texte überhaupt sagen?

Ich glaube: Wenn wir die Geburtsgeschichte Jesu als naturwissenschaftlichen Bericht lesen, verfehlen wir ihren Kern. Weder das Matthäus- noch das Lukasevangelium sind medizinische Protokolle. (Im Übrigen sind dies die einzigen beiden Schriften, die überhaupt von einer wundersamen Geburt berichten – die anderen Evangelien und auch die Briefe des Neuen Testaments greifen dieses Motiv nicht auf.)

Die Jungfrauengeburt ist kein biologischer Befund, sondern eine theologische Erzählform.
Sowohl moderne Kritik, die fragt „Wie soll das gegangen sein?“, als auch eine fromme Apologetik, die auf dem Wunder beharrt, verfehlen aus meiner Sicht die eigentliche Intention der Weihnachtsgeschichte.

Denn diese Geschichte stammt aus einer anderen Zeit. Antike Menschen stellten andere Fragen:

  • Wer ist dieser Mensch?
  • Woher kommt seine Autorität?
  • Warum sollte man ihm folgen?

Um darauf zu antworten, griff man auf ein bekanntes literarisches und religiöses Motiv zurück: die aussergewöhnliche Zeugung. Solche Geschichten dienten jedoch nicht primär dazu, ein Wunder zu feiern. Ihr Zweck war politisch – Herrschaft zu legitimieren.

Ein paar Beispiele:

Der römische Kaiser Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.), der zur Zeit der Geburt Jesu herrschte, liess verbreiten, seine Mutter Atia sei im Tempel des Apollo vom Gott Apollo höchstpersönlich geschwängert worden. Augustus sei somit Sohn eines Gottes.

Über Alexander den Grossen (356–323 v. Chr.) erzählte man, Zeus selbst sei sein Vater.

Die Stadt Rom berief sich darauf, dass ihre Gründer göttlicher Abstammung seien: Romulus und Remus stammten laut Überlieferung von der Vestalin Rhea Silvia, einer geweihten Jungfrau, die vom Kriegsgott Mars geschwängert wurde. Rom erhielt so eine göttliche Gründungsurkunde.

Und schon lange vor Rom galten ägyptische Pharaonen als Söhne Gottes. Tempelreliefs zeigen, wie der Gott Amun-Ra die Königin besucht und den zukünftigen Herrscher zeugt.

Mit diesem Hintergrund zeigt sich die Radikalität der Weihnachtsgeschichte.
Hier wird es theologisch brisant.

Christinnen und Christen nahmen den Zeugungsmythos ihrer Zeit auf und beanspruchten: Christus ist der wahre Kaiser, der wahre Pharao, der wahre Herrscher dieser Welt.

Will ich damit sagen, es gebe keine Wunder oder Jesus sei nicht von einer Jungfrau geboren?
Ich weiss es nicht. Und ich glaube, sich für oder gegen diese Frage auszusprechen, verfehlt den eigentlichen Punkt.

Was ich weiss: Das Christentum hat die Machtstrukturen der antiken Welt auf radikalste Weise unterwandert – und damit ein Fundament gelegt für unsere freie westliche Welt, für Demokratie und Menschenrechte.

Antike Herrscher unterdrückten ihr Volk und nahmen dafür göttliche Legitimation in Anspruch.
In Jesus Christus begegnet uns ein Herrscher – ja Gott selbst –, der von seinem Thron steigt, zu den Menschen kommt, um ihnen zu dienen, ihnen zu helfen und für sie da zu sein.

Jesus wird nicht als Sohn eines Gottes präsentiert, der über der Welt thront, sondern als einer, der Teil der Welt ist, ihr dient und sie befreit.

Am deutlichsten zeigt sich mir dies darin, dass diese göttliche Legitimation im Christentum nicht exklusiv bei Jesus Christus stehen bleibt.
In der Antike konnte es immer nur einen Sohn Gottes geben: nur der Kaiser, nur der Pharao war göttlich legitimiert.

Christinnen und Christen erblickten jedoch durch Jesus Christus Gott im Gegenüber. Sie waren überzeugt: Wenn sie einem Menschen helfen, dienen sie Gott selbst.

Besonders deutlich wird das in der Taufe.
Als Pfarrer vollziehe ich bei jeder Taufe – theologisch gesprochen – ein Inthronisationsritual. Was früher nur einzelnen Herrschern vorbehalten war, spreche ich jedem Kind zu. Normale Bürgerinnen und Bürger erkläre ich zu Kindern Gottes – im Vertrauen auf Jesus Christus.

Ich spreche ihnen zu:
Du bist Träger göttlicher Würde.

Das ist keine religiöse Romantik.
Das ist eine radikale Umwertung von Macht.

Darum ist Weihnachten für mich kein harmloses Fest, das von Wundern erzählt, an die nur Kinder glauben können.
Nein – aktueller denn je ist Weihnachten eine Zumutung für jede Form von Herrschaft, die sich über Menschen erhebt. Es ist eine Absage an alle Bewegungen und Ideologien, die Menschen einteilen wollen in höhere und niedrigere, in göttliche und normale.

Denn wenn Gott im Kind in der Krippe erkannt wird,
dann muss Gott auch im Gesicht meines Gegenübers erkannt werden.

Und das verändert alles.

Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit KI-gestützten Werkzeugen. Der Autor hat Inhalte, Struktur und Formulierungen eigenständig konzipiert und redaktionell bearbeitet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert